Das letzte Kindergartenjahr ist für die Mädchen und Jungen etwas ganz Besonderes: Sie sind jetzt Vorschulkinder und bereiten sich in spielerischer Art und Weise gezielt auf die bevorstehende Schulzeit vor. Dort sollen sie die wichtigen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, ohne die sie auf ihrem weiteren Lebensweg nur schwer weiterkommen können. Genauso müssen sie sich aber auch immer stärker mit Medien auseinandersetzen, die in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle spielen. Wie schon einleitend erwähnt wurde, ist ein souveräner Umgang nicht möglich, wenn die Funktionsweisen von Medien nicht verstanden werden. Eine spielerische Vorbereitung darauf sollte deshalb ein wichtiges Ziel sein. Bader formuliert das folgendermaßen: „Wer Kindern den Zugang zu Medien verwehrt, sollte dafür ebenso schlüssige Argumente anführen können wie für einen Verzicht auf Buntstifte, Lego, Knete, Verkleidungsspielzeug oder Barbiepuppen.“ (Bader 2015, S. 220)
Der Übergang vom Kleinkind zum Schulkind ist auch in den anderen Entwicklungsbereichen zu beobachten. Die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung nimmt mit dem Alter deutlich zu. Zwischen dem fünften und siebten Lebensjahr erhöht sie sich durchschnittlich um 35 Prozent. Damit einher geht ein stärker bedarfsorientierter Umgang mit Gedächtnisstrategien. Sechsjährige gehen flexibler mit erworbenen Gedächtnisstrategien um als Vierjährige. (Kasten 2005b,61 ff.)
Haug-Schnabel und Bensel bezeichnen den Übergang vom Kindergarten in die Schule als den Beginn einer fruchtbaren Entwicklungsphase, in der grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten für den Umgang mit sich selbst und der Welt erworben werden. Die Sprache wird zum wichtigsten Informationsträger, die verbale Kommunikation der Kinder perfektioniert sich zusehends. Ihr Interesse an der sie umgebenden Welt wird immer größer, Wissens-, Verständnis- und Sinnfragen nehmen enorm zu. Auch die Selbstwahrnehmung der Kinder verändert sich beispielsweise dahingehend, dass sie nun immer mehr Geschlechtsbewusstsein entwickeln. (Haug-Schnabel/Bensel 1999) Insgesamt haben Kinder im Vorschulalter grundsätzlich ein positives Selbstkonzept, interindividuelle Unterschiede zeigen sich besonders im Neugier- und Explorationsverhalten. Die kindliche Selbstwahrnehmung und -bewertung sind sehr wichtig, da sie in Verbindung mit der Freude am Lernen stehen. Eine positive Selbstwahrnehmung unterstützt die Lust, Neues zu lernen. Sie starten mit einem „kindlichen Überoptimismus“, der sich im Laufe der Schulzeit reduziert. (Keller/Trösch/Grob 2013, S. 93) Orientierung, Spiele und steigende Bedeutung von Online-Angeboten. Das zunehmende Interesse an ihrer Umwelt und der steigende Wissensdrang der Kinder schlagen sich auch in der Medienzuwendung der Vorschulkinder nieder. Ihr Interesse an den Medien steigt. Hier halten sie nach Orientierungen für ihren Alltag und ihre Entwicklungsaufgaben Ausschau. „Im Kindergarten- und Vorschulalter suchen Kinder nach Hinweisen zur Gestaltung von Freundschaften und zur Bearbeitung ihrer Position in der Familie sowie in der Gleichaltrigengruppe.“ (Fleischer 2014, S. 307) Sie forschen nach Anhaltspunkten, was es äußerlich aber auch hinsichtlich des Verhaltens bedeutet, ein Mädchen oder ein Junge zu sein. (Fthenakis u. a. 2009) Eine wichtige Rolle übernehmen die Medien in diesem Alter als Spielgeräte. Die miniKIM 2014 weist darauf hin, dass Spielen im Vorschulalter die Haupttätigkeit am Computer ist. Drei Viertel der Vier- und Fünfjährigen spielen ein- bis mehrmals pro Woche Computer-, Konsolen- oder Onlinespiele, 21 Prozent sogar täglich oder fast täglich. (miniKIM 2014, S. 19) Kühn und Lampert gehen davon aus, dass die Nutzung von Spiele-Apps auch den größten Anteil an der mobilen Mediennutzung von Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren ausmacht. (Kühn/Lampert 2015, S. 21) Dies wird von den Eltern offensichtlich unterstützt, denn „interaktive und ‚pädagogisch wertvolle‘ Anwendungen (Lernspiele) vermitteln ihnen zudem ein besseres Gefühl, als wenn sie ihre Kinder beispielsweise fernsehen lassen.“ (Kühn/Lampert 2015, S. 25) Mit steigendem Interesse an verschiedenen Medieninhalten rückt auch das Internet stärker ins Blickfeld der Kinder. Grobbin und Feil stellen fest, dass ein Viertel der Fünf- bis Sechsjährigen nach Aussage ihrer Eltern das Internet nutzt. (Grobbin/Feil 2014, S. 3) Wie häufig das Internet genutzt wird, dazu gehen die Einschätzungen von Müttern und Vätern auseinander. 46 Prozent der Väter von Klein- und Vorschulkindern sind der Meinung, dass ihre Töchter und Söhne mindestens mehrmals pro Woche das Internet nutzen, ihre Partnerinnen schreiben 6 Prozent ihrer Kinder eine solche Frequenz der Internetnutzung zu (ebd., S. 4). Im Vorschulalter werden für einen Besuch im Netz hauptsächlich der Tablet-Computer oder das Smartphone herangezogen. (ebd., S. 3 f.) Obwohl Online-Angebote noch eine relativ geringe Rolle spielen, fangen die Kinder an, mit Unterstützung der Eltern Angebote wie YouTube zu nutzen, einige von ihnen lernen Dienste wie Spotify für Musik oder Google Maps kennen. (Kühn/Lampert 2015, S. 22) Die Kinder schätzen das Internet als unerschöpflichen Speicher für Filme, Spiele etc. Es ist ihnen aber noch nicht möglich, die Verlinkungsstrukturen des Internets zu verstehen. Da Kinder in diesem Alter auch noch nicht lesen und schreiben können, sind sie bei der Nutzung des Internets auf die Hilfe der Eltern angewiesen. Im Vorschulalter beginnen die Kinder jedoch, sich den mobilen Medien auch allein zuzuwenden. 25 Prozent der Vier- bis Fünfjährigen, die in einem Haushalt leben, in dem es einen Tablet-Computer gibt, nutzen diesen zumindest selten alleine. (miniKIM 2014, S. 24)
Im Familienalltag der Vorschulkinder sind die Medien fest verankert. Marci-Boehncke, Müller und Strehlow fordern, dass sich die Kindertagesstätten dieser Entwicklung nicht verschließen dürfen und stellen fest, „[d]ie Kita als früheste Bildungsinstitution hat […] die Aufgabe, den Medienalltag konstruktiv aufzugreifen.“ (Marci-Boehncke/Müller/Strehlow 2013, S. 15) In Kitas sind digitale Medien jedoch nur spärlich vorhanden. Laut miniKIM 2014 verfügen lediglich vier Prozent der Einrichtungen über Tablets, 13 Prozent haben einen Computer, in sieben Prozent der Fälle gibt es einen Internetzugang für die Kinder. Etwas besser ist die Ausstattung mit Digitalkameras, die in 23 Prozent der Kitas vorhanden sind. (miniKIM 2014, S. 29) Offensichtlich steht die sparsame Ausstattung mit digitalen Medien in Zusammenhang mit der Einstellung der pädagogischen Fachkräfte. Marci-Boehncke, Müller und Strehlow stellen fest, dass viele Erzieherinnen und Erzieher der kindlichen Medienpraxis skeptisch gegenüber stehen. Außerdem wird Medienbildung im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen wie zum Beispiel Sprachförderung als eher unwichtig betrachtet. Sie ziehen daraus die Schlussfolgerung: „Inwiefern Medienerziehung in den Kitas praktiziert wird, hängt stark von den Einstellungen und Haltungen […] ab.“ (Marci-Boehncke/Müller/Strehlow 2013, S. 18) In ihrer Zurückhaltung hinsichtlich eines Einsatzes von digitalen Medien in der Kita werden die Erzieherinnen und Erzieher von vielen Eltern gestützt, die die Medienerziehung offensichtlich als elterliche Erziehungsaufgabe betrachten, wie die Untersuchung von Grobbin und Feil belegt: „Am deutlichsten lehnen die Eltern von Klein- und Vorschulkindern den Einbezug digitaler Medien in die pädagogische Arbeit während der außerfamiliären Betreuung ab: Dies betrifft den Umgang mit den neuen digitalen Medien (z. B. Tablets) ebenso wie mit dem Internet.“ (Grobbin/Feil 2014, S. 6) Bader bezeichnet es als „problematisch“, wenn der Kindergarten als Schutzraum betrachtet wird, „der aufgrund angenommener Bedrohungen, die von Medien ausgehen könnten, zur medienfreien Zone erklärt wird.“ (Bader 2015, S. 220) Da Medien Kindern vielfältige Möglichkeiten eröffnen, sich symbolisch auszudrücken, sieht er in der Beschäftigung mit Medien ein Potenzial für die Entwicklung eines „Symbolverständnisses, eine der vordringlichsten Entwicklungsaufgaben dieses Alters“ (ebd.). Um Kinder bei der Entwicklung eines souveränen Umgangs mit Medien zu unterstützen, muss ihr Interesse an und ihr Umgang mit Medien von Anfang an erzieherisch begleitet werden. Wie bei anderen erzieherischen Aufgaben sollte es auch hier eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und außerfamiliärer Betreuung geben. Konkrete Ziele, die dabei verfolgt werden sollten, sehen Demmler und Struckmeyer beispielsweise darin, Kindern die Intention von Werbung zu vermitteln, ihnen außerdem die Möglichkeit zu geben, „Medien als Informationsquelle zu entdecken, Kriterien für die Auswahl von Medienangeboten kennenzulernen, aber auch eigene Erlebnisse fotografisch festzuhalten oder erste Geschichten mit einem Audio- oder Videorekorder aufzunehmen.“ (Demmler, Struckmeyer 2015, S. 226)